Der Todesprediger
Gustav Landauer
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Belletristik / Romanhafte Biographien
Beschreibung
Auszug: "Die Geschichte, die ich erzählen will, ereignete sich in jener im Großen und Ganzen glücklichen Zeit, da sich die Planeten um die Sonne drehten ohne zu fragen warum, und die Sonne ganz gedankenlos, ohne sich nach einem Spiegel zu sehnen, ihre leuchtenden Strahlenbündel von sich schleuderte. Die Epoche, wo das Weltall begann, über sich selbst und seine Bestimmung zu philosophieren, war noch nicht angebrochen, der Weltschmerz in des Wortes eigentlicher Bedeutung, das wehvolle Stöhnen des großen Kosmos, das seiner Auflösung ins absolute Nichts vorherging, war noch nicht eingetreten. Jedoch war das Allgemeinbefinden der einzelnen Weltkörper schon wesentlich differenziert, und auf einem derselben, auf der Erde, zeigten sich für den feinen Beobachter bedrohliche Symptome. Das ganze Erdenrund war allmählich von einem grünlichen Schimmel überzogen worden, der sich bemühte, zugleich ein Spiegel und eine schlechte Kopie des Weltungeheuers zu sein. Jeder auch der kleinste Teil dieses gewaltigen Riesen ging gedankenlos seine eigenen Wege und kümmerte sich nicht im mindesten um andere. In dieser überlegungslosen Selbständigkeit bestand das Weltglück. Auf dieser schimmligen Erdrinde aber entstanden kümmerliche Wesen, die für sich nichts waren und sich darum an einander anlehnen und einander befehden mußten und es erwuchsen allmählich Arten statt Individuen, Gesellschaften statt Personen. Ein krankhafter Keim steckte in jedem kleinsten Teilchen dieser Erdoberfläche, es war das Bewußtsein oder doch die Anlage dazu. Welche Art am meisten von diesem Gift in sich trug, die errang die Herrschaft über die übrigen, die war aber auch zugleich am nächsten dem Zustand der Selbstvernichtung, der aus dem Selbstbewußtsein hervorging auf dem Wege über die Selbstverachtung und den Selbstschmerz. Diese Rolle war schon seit geraumer Zeit dem Geschlechte der Menschen zugefallen.